Das S-Wort


2. Mai 2019


Politik und Kommunikation im Deutschen Bundestag

Kolumne

Kevin Kühnert, der Juso-Vorsitzende, hat es getan. Und das am 1. Mai. Er hat das S-Wort benutzt, von Kollektivierung gesprochen, überhaupt von Grenzen des Eigentums. In einem Interview für die ZEIT meinte er, es sei vorstellbar, dass große Konzerne deren Belegschaft gehören könnten. Weiter stellte Kühnert die Notwendigkeit von Wohnungseigentum in Frage, welches nicht dem Eigenbedarf diene. Die Reaktion aus den Erregungszentren von Medien und Politik folgte stehenden Fußes.

Der mit glücklos noch wohlwollend bedachte Verkehrsminister Scheuer irrlichterte mit unflätigen Bezeichnungen für Kühnert, Teile von CDU, CSU und rechter Journaille toben. Doch selbst aus den vermeintlich fortschrittlichen Reihen kam Kritik. Bemüht sachlich noch die Grüne Göring-Eckhardt, dennoch weit von linken Ideen entfernt. Übertrumpft wurde sie von Kühnerts Parteifreund Johannes Kahrs. Der wollte wissen, was der Juso geraucht habe. „Legal kann das nicht gewesen sein“. Den eigenen Genossen im Vorbeigehen einer Straftat bezichtigen? Wehner hätte zurecht getobt.

„Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind die Grundwerte des Demokratischen Sozialismus. Sie sind unser Kriterium für die Beurteilung der politischen Wirklichkeit, Maßstab für eine neue und bessere Ordnung der Gesellschaft“.

Aus dem Hamburger Programm der SPD, 2007

Jenseits der Hysterie könnte doch nun endlich über alternatives Wirtschaften gesprochen werden. Dass der Kapitalismus Leichenberge produziert und die Ungleichheit von 99% der Weltbevölkerung rasant befördert, dürfte sich bei den meisten Menschen in diesem Land herumgesprochen haben. Was also spricht dagegen, den Kapitalismus zugunsten von mehr demokratischer Kontrolle zurückzudrängen oder gar zu überwinden? Schneider (2007) befand:

„Genossenschaften, Stiftungen, Arbeitnehmerbeteiligungen, gesellschaftliche Fonds – alles Konstrukte, bei denen Gemeineigentum und ökonomische Effizienz sinnvoll ineinander greifen könnten.“

Die Debatte war aufgeflammt im Zuge der Kampagne Enteignet Deutsche Wohnen. Die Aktivisten wollen überteuerte Wohnungen von Großkonzernen in Gemeineigentum überführen, um wieder mehr Kontrolle über die Entwicklung von Mietpreisen haben zu können. Solche Aufregung wünscht sich der Autor einmal, wenn es um den Klimawandel oder soziale Ungleichheit geht. In Großbritannien hat es das Parlament immerhin geschafft, einen Klimanotstand auszurufen. Es könnte sein, dass dies ein Thema zum Anpacken ist. Niemand muss sich also an einem jungen Sozialisten arbeiten, der über demokratischen Sozialismus spricht. Stattdessen sollte uns klar werden, dass es bald eine völlig neue Bedeutung haben könnte, mal eben über das Wetter zu sprechen.


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